Montag

Eine Schaufel bitte!

Manche Flüge Tage im Leben können getrost in den unendlichen Weiten der Vergangenheit verschwinden.
Erst kürzlich passiert:

Ich freute mich wie ein Schnitzel über meinen Umlauf in die USA.

Ich freue mich sowieso auf jeden Flug aber mein persönliches Sahnehäubchen war, dass dieser Umlauf in eine Stadt ging, in der es einen bestimmten Laden mit einem bestimmten, sündhaft teuren Kleidungsstück gab, welches nur sehr schwer ausfindig zu machen ist.

Man merkt um welch essentielles Ereignis es mir als Frau (oder lieber Mädchen?) hier im Besonderen geht: SHOPPEN!!!

Aber dies spielte erstmal eine Nebenrolle, denn ich hatte verschlafen!

Mit Herzrasen und rauschenden Ohren jage ich durch meine Wohnung, zaubere eine irgendwiehochgewurschtelt-Frisur auf meinem Kopf, betreibe Minimal-Make-up und Katzenwäsche, schlüpfe in die (Gott sei dank) vorgebügelte Bluse und den Rest der Uniform und eile zum Flughafen.Ich fühlte mich beschissen.

Gerade noch pünktlich erscheinte ich zum Briefing. Crew wirkte nett, so dass ich erst mal durchatmen und mich sammeln konnte.

Mein Kapitän nahm sich besonders Zeit um darauf hinzuweisen, wie wichtig Kommunikation untereinander ist und das er bitte niemand mit langem Gesicht innerhalb der Crew sehen möchte. Versteht sich ja von selbst.

Auf dem Flieger angekommen bereitete ich alles vor und die Gäste kamen. Oder, Unmengen an Handgepäck kamen mit einer annehmbarern Menge an Gästen. Mit präziser Logik eines aufgescheuchten Huhnes half ich Handgepäck zu verstauen und die Gäste wirkten glücklich, ich auch noch.

Auf meinem Sitz für den Start festgezurrt, sah ich das Unglück schon kommen als zwei Mütter schhhh, schhhh, schhhh zu ihren Kindern sch-ten.

Ich mag Kinder und ich kann auch sehr geduldig mit ihnen sein, nur, wird eine gewisse Dezibelgrenze über einen längeren Zeitraum drastisch überschritten, hört der Spaß bei mir auf. Trotz Einfühlsamkeit meinerseits ließen sich die Kinder nicht beruhigen.

Mit einem dicken Schädel flüchtete ich in die Servicevorbereitungen.Mir entging allerdings dabei, dass der Serviceablauf dabei modifiziert wurde und ich befand mich häufig -zum Ärger meiner Kollegen- dort, wo ich nicht sein sollte und damit war ich nicht hilfreich im Service.Ich weiß nicht genau wie häufig ich meine Gäste und Kollegen in den Genuss einer Coladusche brachte. Ebenso wenig weiß ich nicht, wie häufig die Signale meines Hirns ihren Weg in den Rest meines Körpers nicht gefunden haben.

Die schlechte Leistung und Einschränkung meiner Denke ließen mich lustige Sprüche aus meinem Mund sprudeln. Dabei kommt auch hin und wieder etwas raus, was man besser für sich behalten sollte. Die Gesichter meiner Kollegen ob ihrer Begeisterung meiner verbalen Ergüsse, waren nicht freundlich. Aber man läuft ja zu Hochtouren auf wenn man das Ruder umreißen möchte und ich bewegte mich immer mehr in einer Abwärtsspirale.Ich war eine einzige Katastrophe und ein Kollegenschwein noch dazu!

Der Supergau kam, als ich in meiner Handtasche nach einer der unzähligen Handcremetuben suchte. Meine Geldbörse war nicht eingesteckt. Alle Kreditkarten weg und zuhause liegen gelassen!

Kreditkarte? Frau? Klingelt da was?

Das letzte Fünkchen Optimismus, welches mir eine Kollegin dank ihres Verständnisses bezüglich meines suboptimalen Starts in den Tag gab, wich aus meinem Körper und ich hörte mich innerlich schreien.

Mit hochrotem Kopf und der Selbstmotivation eines Tennisspielers versuchte ich weiter zu arbeiten. Leider gab es durch wiederkehrende Missverständnisse, Verzögerungen im Serviceablauf und wir waren in den letzten Zügen unserer Arbeit als es aus dem Cockpit hieß: 20 Minuten bis zur Landung. Nur leider ging unsere Maschine gefährlich schnell und tief runter, so dass mich eine Kollegin vor Schreck laut anschrie als sie erkannte, dass wir in wenigen Minuten landen.Ich rannte zu meinem Sitz und schnallte mich an. Kurz darauf setzte der Flieger auf...das war wohl nix mit den 20 Minuten.

Ich hatte keine Lust mehr und packte meine stärkste Waffe aus. Ich begann zu heulen.

Die Gäste verabschiedeten sich von Board und bedankten sich für den tollen Service. Ich wusste nicht ob ich noch mehr heulen oder lachen sollte.
Ich beschloss weiter zu heulen, war ja sowieso schon dabei und das Make-up schon verschmiert.

Den Rückflug erwähne ich nicht da er genauso furchtbar war, getreu dem Motto:
Vor dem Wahnsinn wird’s noch mal besonders lustig aber ohne Tränen.

Ich entschied mich die Fliegerei an den Nagel zu hängen…vorerst.


Vorhin war ich bei meiner Vorgesetzten.
Ich werde nicht mehr an meine alte Arbeitsstelle zurückkehren und bleibe unbefristet der Fliegerei erhalten.

Ambivalenz fand ich schon immer gut.

4 Kommentare:

Philip hat gesagt…

Hallo Bloggerin
Danke für deine tollen beiträge. Bitte mach so weiter, für mich als Vielflieger interessant und amusant. Und glaub mir, egal welchen Beruf du ausübst einen schlechten Tag hat jeder und jede mal! Mehrmals. Also Augen zu und durch.
Philip

Marianne hat gesagt…

Vielen Dank, Philip :-)

Stimmt, wir sind selten bei "Wünsch Dir was" und das ist gut so ;-)

Viele Grüße,

Marianne

nff hat gesagt…

... ja, solche Tage gibt's!

Als Helvetier und Vertreter des kantigen Schweizerhochdeutschen hatte ich besonders Freude am ersten Satz. So ein guter Ausdruck :-)

Doch ich muss ehrlich sagen, hier in der Bretagne freue ich mich eher wie eine Crèpe, ein Cidre oder eine Huitre...

Keep on writing! Deine Beiträge sind wirklich Klasse!

Marianne hat gesagt…

Danke, nff!
Ich werde mein bestes geben ;-)

Und so ganz eigentlich müsste ich mich lokalpatriotisch wie ein Äppelwoi fühlen oder herkunftsbedingt wie ein Struklji aber mir war gerade nach einer Prise Antibiotika...blödes Testosteron.

Liebe Grüße,

Marianne