Sonntag

Auge um Auge

Es war soweit.

Ich sollte meinen ersten Flug auf der Kilo Bravo absolvieren.
Die Nacht zuvor konnte ich nicht schlafen, wie auch? Ich habe Stundenlang meine Schulungsunterlagen studiert...da war doch was?..ach ja, Kontrollfreak...
Ich versuchte nicht eine Minute an Angst oder dergleichen zu denken. Trotzdem ging ich im Geiste sämtliche Notfallszenarien und meiner Funktion in diesen durch. Spannung, Neugier und Vorfreude war wirklich das was ich in dieser langen Nacht spürte.
Erschöpft schlief ich irgendwann ein und ein 4stündiger, traumloser Schlaf erwartete mich.

Wie immer wenn ich aufgeregt bin, bereitete ich mich hektisch an diesem Morgen vor und machte mich und meine Koffer zurecht. Fast schon abgehetzt erreichte ich den Flughafen und begann meine Flugunterlagen zu sortieren. Mit einem schnellen Frühstück im Bauch ging ich in das Briefing.
Mich erwarteten dort freundliche Gesichter. Die Kollegin, welche mich auf diesem Flug einwies, strahlte mich an und gab mir ein warmes Gefühl...sehr gut, da dürfte doch schonmal nix schief gehen.
Unsere Cockpitcrew stieß zu uns und ich war sehr dankbar, einen "Papatypen" mit bajuwarischem Akzent als Kapitän anzutreffen (Man muss wissen, ich mag Akzente, insbesodere die etwa derberen).

Die Crew und ich gingen zum Bus der uns zur Kilo Bravo brachte und ich wusste, aus dieser Nummer komme ich nicht mehr raus.
Aus dem Bus ausgestiegen war ich die letzte welche sich noch unten an der Treppe zum Einstieg befand. Ich schaute mir den Flieger an und das erstemal schaute ich nicht nach Rostflecken.
Diesmal betrachtete ich den Flieger als Arbeitsgerät. Vielleicht fühlte ich deswegen kein Unbehagen.

Als der Einsteigevorgang der Passagiere abgeschlossen war durfte ich für den Start in das Cockpit, ebenso später für die Landung.
Ich fühlte mich wie ein kleines Kind und freute mich wahnsinnig, ging doch ein kleiner Traum in Erfüllung.
Ich nahm im Cockpit platz und versuchte mich anzuschnallen.
Versuchte es, denn mit vor Aufregung zitternden Fingern ist es schir unmöglich diesem Gurtsystem mächtig zu werden, außerdem beschloss ich nie wieder einen Rock anzuziehen.
Nach gefühlten 2 Stunden gelang es mir nun doch halbwegs ladylike angegurtet zu sein und ich realisierte das ich mich kurz vor dem Start befand.
Ich schaute voller Ehrfurcht auf die Fülle der Knöpfe die sich im Cockpit befanden und meinte eine Übersicht erkennen zu können...sehr gut, Struktur gibt mir Sicherheit.

Hin und wieder drehte sich der Kapitän zu mir und fragte ob alles okay ist und ich merkte das ich nicht aufhören konnte zu Strahlen.
Die Maschine machte sich langsam auf dem Weg zur Startbahn und ich merkte wie sich eine Entspannung in meinem Körper breit machte.
Die beiden Piloten wechselten noch einige Worte und ich hörte und spürte anschließend die Triebwerke aufheulen.

Das war mein Moment ( pardon, etwas Phatos gehört hier nun rein).
Ich hatte keinerlei Angst, nicht einmal den Anschein eines leicht erhöhten Blutdrucks.
Ich war einfach entspannt und sah den grünen Rasen neben der Startbahn schnell an mir vorbeiziehen.
Der Augenblick kam und die Nasenspitze des Fliegers stieg nach oben. Meine Augen wurden feucht und ein großer Ballast fiel von meinen Schultern...ich habe es geschafft! Jetzt konnte nichts mehr kommen.
Die Piloten drückten hier und da ganz entspannt einige Knöpfchen und der Kapitän drehte sich wieder zu mir um und fragte wie es mir geht. Mehr als einen Daumen zeigen konnte ich nicht.
Ich hätte wohl sonst angefangen zu heulen ich emotionales Ding.
Es erschien mir alles so sureal. Ich war tatsächlich in der Luft.
Stolz machte sich in mir breit, mehr als bei meinem ersten Sprung vom Dreimeterbrett.

Nach einer Weile (die Zeit habe ich mit Ungläubigkeit der Situtaion verbracht) schnallte ich mich ab und ging in die Kabine um die Arbeit aufzunehmen.

Was soll ich sagen?
Ich habe gearbeitet und serviert und nicht einmal spürte ich Unbehagen.
Selbst kleine Wackeleien nahm ich nicht wahr. Die Arbeit ließ mir keine Zeit um mir über irgendwelche Empfindungen Gedanken zu machen. Vor dem Landeanflug ging ich wieder in das Cockpit.
Die Landung nahm ich diesmal nur vernebelt wahr, zu groß war die Faszination des Lichterteppichs unter mir.
Ungläubigkeit wich nicht aus meinen Kopf bis wir aufgesetzt haben.

Ich stieg aus der Kilo Bravo aus und tat das was ich mir schon immer gewünscht hatte:
den Geruch eines mir neuen Kontinents aufsaugen.

Donnerstag

Wir starten und landen in Boston

Meine Ausbildung began.
22 waren wir die es galt für das Arbeiten in der Luft auszubilden.
Mein erster Tag war fantastisch. Ich hatte kein einziges seltsames Gefühl im Bauch. Alles fühlte sich richtig und gut an.

Neben Serviceübungen und anderen wichtigen Dingen im Lehrgang, nahm das Emergency-Training (Notfalltraining) einen sehr großen Teil unserer Zeit in Anspruch.
Ich gebe zu, die ganzen Lerneinheiten für den Sevice an Board gaben mir das Gefühl einer Leichtigkeit und Normalität im Flugzeug. Es wurden viele Dinge besprochen die einfach meine Angst oder meine an einen Flugunfall in meinem Kopf weggeschlossen haben.
Vor dem Emergency-Training hatte ich daher großen Respekt da ich es als erste Hürde für mich persönlich sah. Dabei würde ich nämlich mit all dem konfrontiert werden die mMn einen großen Teil meiner Flugangst sind.

Meine Sorge stellte sich als unbegründet heraus. Denn endlich hatte ich das Gefühl in einem Notfall agieren zu können. Ich habe -wie alle Lehrgangsteilnehmer- ordentlich Gas gegeben. Es wurde evakuiert bis zum Umfallen, zig Szenarien wurden durchgespielt. Gestarten und gelandet wurde immer in Boston (der Flughafen befindet sich in der Nähe von Wasser, daher wäre eine Evakuierung im Wasser und an Land möglich) und ich ging an meine Grenzen.

Anbei möchte ich hier erwähnen das meine liebste Übung die des schnellen Druckverlustes war.
Ich muss wohl völlig Psycho sein, das mir das meißte Gewackel gefällt.
Die ganzen Übungen und die vielen Hintergrundinfos ließen mich zum ersten mal, ohne jegliche Angst, auf meinen ersten Flug freuen.

Die Idee, der Plan oder einfach ein simpler Versuch

Mein Arbeitgeber brachte dieses Jahr ein Angebot an die Bodenmitarbeiter.
Man hatte die Chance für eine befristete Zeit in die Flugzeugkabine zu wechseln und danach wieder an die alte Arbeitstelle zurückgehen zu können.

Als ich dieses Angebot las ist mir eine kleine Offenbahrung erschienen und es hat mich gepackt.
Ja, ich habe Flugangst aber war es bisher nicht so in meinem Leben, das ich immer gerne die Dinge gemacht habe, die ich nicht hätte machen dürfen, können, sollte und dabei meißt erfolgreich war? Wäre es nicht die beste Therapie meiner Angst ins Auge zu blicken und genau das zu machen wovor ich höllische Angst habe?

Ich ging einige Tage mit diesen Gedanken schwanger und habe (wohl unbewusst) meine Angst verdrängt. Da ich einige private Verpflichtungen habe, begann ich auszutüfteln ob ich überhaupt die nötige Organisation aufstellen kann um den Beruf als Flugbegleiterin ausüben zu können.
Und tatsächlich, es stellte sich heraus das ich es wohl hinbekommen könnte.

Ich überlegte nicht lange und machte meine Unterlagen fertig ohne über die Konsequenzen bezüglich meiner Flugangst bewusst zu sein. Ich bin noch kurz vor Ende des Angbots in das Auswahlverfahren reingerutscht und habe dies bestanden.

Ich konnte es nicht fassen!
Endlich all die Länder sehen nach denen ich mich immer gesehnt habe!
Ich werde Flugbegleiterin!
...zumindest war ich auf dem Weg dorthin und sollte ich scheitern könnte ich immer noch zurück zu meiner alten Arbeitsstelle. Ich hatte nichts zu verlieren.

Die letzten Wochen bis zu meiner Flugbegleiterausbildung vergingen buchstäblich wie im Fluge da ich, zum einen, viel arbeiten mußte und mir extra viel Streß auferlegt hatte um nicht genügend Zeit zu haben über dieses wahnwitzige Vorhaben nachzudenken.

Hin und wieder schlichen sich dennoch kleine Zweifel ein. Kann ich das schaffen? Kann ich Flugbegleiterin werden ohne kreischend beim ersten Flug unter meinem Sitz zu liegen?