Montag

In den tiefen der Höhle

Ich bin müde. Sehr müde und ein warmes Bett ruft mich verlockend zu sich.
Wäre es nur nicht in einem fensterlosem Raum, tief im inneren des Flugzeugrumpfes.

Leise steige ich in die Höhle hinab und suche mein Bett und lege mich für die Dauer meiner anderthalbstündigen Pause hinein. Danach steige ich putz und munter [sic!] wieder in die Frühstücksvorbereitungen an Board ein.

Dies ist der ideale Pausenablauf. Es geht auch anders:

Pause: 90 Minuten

Minute 1:
Als letzte meiner Pausencrew stehe ich vor der Zugangstür und möchte in mein Bett.
Nur, die Tür ist verschlossen und ich weiß nicht wie das funktioniert.
Irgendwo war ein Schlüssel, aber wo?
Hektisch suche ich alle umliegenden Staufächer ab. Natürlich finde ich keinen Schlüssel, wäre auch zu einfach.
Also gehe ich stolpernd über die Füße der Passagiere zurück in die Heckgalley und bitte unter Scham einen Kollegen um Hilfe mir die Zugangtür zu öffen.

Minute 7:
Endlich steige ich in die dunkle Höhle hinab und befinde mich in gemeiner Finsternis.
Nachdem sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, schaue ich nach meinem Bett und suche nach meiner mir zugetelten Nummer. Die Betten sollten nummeriert sein aber ich finde, trotz mehrmaligem Blinzeln, keine gescheite Nummernfolge. Geschweige denn Nummern auf den Betten selbst. Lediglich die Schubladen sind nummeriert und besonders doof ist es wenn sich unter einigen Betten mehrere nummerierte Schubladen befinden.
Also taste ich mich an den schlafenden Kollegen vorbei bis ich irgendein freies Bett finde.

Minute 10:
Am freiem Bett angekommen zwänge ich mich dort hinein und mein Kopf macht (natürlich) Bekanntschaft mit der Abgrenzung des Bettes. Egal, ich bin müde.
Anschließens in der Bettdecke eingekuschelt kommt mir in den Sinn, dass ich mich irgendwo anschnallen muss. Wo ist der Gurt? Also wieder aufsetzen (Kopf!) und den Gurt ertasten. Geschafft, jetzt muss das eckige nur noch in das eckige. Auch das wird geschafft.
Wieder liegend möchte ich mich als Seitenschläfer drehen. Der Gurt ist zu eng.
Während ich in Gedanken fieberhaft nach einer mathematischen Formel für irgendetwas mit Länge-Umfang-Masse suche, versuche ich unter fluchen, den Gurt zu lockern um endlich eine geeignete Schlafposition zu finden.

Minute 15,16,17,18...
Ich mache Bekanntschaft mit meinen geschärften Sinnen und nehme mir das nächste mal fest vor Ohrstöpsel einzustecken.
Es ist dunkel und der Flieger um mich herum brummt bedrohlich.
Das Brummen wird mal lauter, mal leiser und ich kuschel mich fester in meine Decke ein.
Aber nein, nun merke ich auch noch wie der Flieger im Luftstrom schwankt, hin und wieder absackt und ich bleibe dabei hellwach. Bei jedem Absacken macht sich ein flaues Gefühl im Magen breit und ich werde mir bewusst wie hoch in der Luft ich mich eigentlich befinde und das Wissen um den Nordatlantik unter mir löst auch keine Jubel in mir aus. Unbequeme Gedanken schießen mir durch den Kopf und ich kämpfe darum keine Panik zu bekommen.Ich habe leise Angst und wünsche mir eine Hand zum festhalten herbei. Worauf hab ich dummes Huhn mich hier eingelassen?

Minute 43:
Das Schwanken und Brummen macht mich verrückt. Ich wälze mich hin und her um wenigsten das Schwanken nicht empfinden zu müssen.
Plötzlich habe ich das Gefühl als würden wir sinken. Nach einem sehr langem Augenblick merke ich wie der Flieger wieder an Höhe gewinnt...seltsam.
Gleichzeitig schicke ich ein Stoßgebet gen Himmel und hoffe die Kollegen vorne wissen was sie tun.

Minute 50:
Meine Müdigkeit überkommt mich und ich dämmere, mich damit abgefunden aus dieser Situation nicht rauskommen zu können, langsam weg. Der Schlaf findet Einzug in meinem Körper. Irgendwie und Endlich.

Minute 70:
Ich wache auch und merke das ich sehr schnell atme. Huch.
Gleichzeitig rast mein Puls. Schnell versuche ich mich zu sammeln und den Ursprung meiner körperlichen Reaktion auszumachen.
Angst habe ich gerade nicht, ich bin lediglich verwirrt. Die Atmung beruhigt sich allerdings nicht, ebenso der Puls. Ich fühle mich wie beim Hochleistungssport und japse nach der dünnen Luft.
Ich lausche den Kollegen die selig vor sich schlummern, stelle nichts seltsames fest und springe anschließend aus mein Bett raus (Kopf! Aua). Schnell packe ich mein Sachen und flüchte aus der Höhle. Oder doch eher Hölle?

Minute 75-90:
Auf dem Maindeck angekommen blüht mein Körper wieder auf.
Ich beschließe den Rest meiner Pause bei den Kollegen im Cockpit zu verbringen da ich von Schlaf erst mal die Nase gestrichen voll habe. Sterne gucken ist sowieso gerade schöner.
Im Cockpit angekommen frage ich ob wir tatsächlich, wie von mir empfunden, gesunken und daraufhin wieder gestiegen sind.
Tatsächlich war es so. Irgendein Mensch am Boden wollte uns tiefer fliegen lassen.
Dies hieß für die Cockpitkollegen höherer Spritverbrauch inkl. Zwischenlandung zum Tanken im Vereinigtem Königreich. Es wurde wohl per Funk hart verhandelt und die Kollegen durften den Flieger wieder steigen lassen. Aha.
Als ich im weiteren belanglosem Plausch meine seltsame Reaktion beim Erwachen erwähne, sagt der Kapitän:
"Ja, wir hatten einen minimalen Druckverlust im Crewrest. Nicht der Rede wert.
Das merkt man nur wenn man sehr, sehr empfindlich ist."

Ach was? Ich bin eine FRAU!!!! Den Rest verkniff ich mir.

Sonntag

Nachwehen

Nun,
wo ist meine Flugangst?
Sie ist noch da. Sie hat sich ganz leise in einen anderen Kanal begeben. Und zwar in den Sprechkanal des Boardtelefons in Richtung Cockpit.
Ein Hoch auf die weibliche Intuition!

Liebe Kollegen von der Reihe 0, hiermit möchte ich mich aus dem tiefsten meines Herzens dafür bei Ihnen entschuldigen, bei jedem mir seltsam erscheinendem Ereignis an Board -besonders in Situation die Ihre volle Aufmerksamkeit benötigen-, Sie darüber in Kenntnis gesetzt zu haben und dies auch weiterhin so zu handhaben vermag.
Ebenso möchte ich mich dafür bedanken, das Sie mich bisher dabei ernst genommen haben und dem nachgegangen sind, bzw. meinen Kenntnisstand bezüglich (m)eines Flugzeuges erweitert haben:

- Manchmal rumpeln die Klappen des Fahrwerks beim Start besonders laut,
- Manche Piloten starten und steigen gerne besonders schnell (wie war das nochmal mit dem Porsche?),
- Manchmal scheint es minimale Druckveränderungen zu geben,
- Wind und Nebel gleichzeitig geht nicht wirklich,
- Luftlöcher gibt es nicht,
- Die Flügel eines Flugzeugs können quasi nicht abbrechen da der Rumpf auf diesen
gebaut ist,
- Lila markierte Wetterzonen auf dem Wetterradar sind nicht gut, auch wenn lila derzeit eine hübsche Trendfarbe ist.

Es gibt noch viel zu lernen. Bis dahin wird der Draht weiterhin glühen.